Risikomanagement in der Wasserversorgung
Die EU-Trinkwasserrichtlinie fordert ein Risikomanagement für die Trinkwasserversorgung vom Einzugsgebiet bis zu den Hausinstallationen. Das wird in Deutschland durch die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) und die Trinkwassereinzugsgebieteverordnung (TrinkwEGV) geregelt. GCI unterstützt die Wasserversorgungsunternehmen beim Risikomanagement sowohl für das Einzugsgebiet gemäß TrinkwEGV als auch für die Gewinnungsanlagen und Trinkwassernetze gemäß TrinkwV.
Hierfür greifen unsere IngenieurInnen auf entsprechende Fachsoftware zurück, die auch die Laufendhaltung der Unterlagen durch den Wasserversorger erleichtert.
Das Risikomanagement im Sinne der TrinkwEGV und TrinkwV erfolgt nach DIN EN 15975-2 und umfasst allgemein:
Identifizieren von Gefährdungen und den Ereignissen, die diese Gefährdungen herbeiführen können und deren systematische Zusammenstellung in einem Gefährdungsinventar.
Gefährdungen im Sinne der TrinkwEGV sind „Stoffe im Wasser mit biologischen, chemischen, physikalischen oder radiologischen Eigenschaften oder eine anderweitige Beschaffenheit des Wassers, die im Hinblick auf seinen Gebrauch als Trinkwasser die menschliche Gesundheit beeinträchtigen können.“
Für die Beschreibung des Einzugsgebiets gemäß TrinkwEGV erhebt die zuständige Behörde die erforderlichen Informationen, die dem Betreiber nicht vorliegen, bei den entsprechenden Fachbehörden und übergibt diese dem Versorger in digital verarbeitbaren Formaten.
Nach TrinkwV sind Gefährdungen zu betrachten, die die Anforderungen an die Beschaffenheit nach Abschnitt 2 (§ 5 – 10) beeinträchtigen (mikrobiologische, chemische, radiologische Anforderungen; Indikatorparameter).
Die Gefährdungsanalyse sollte die Frage „Was kann wo und wie passieren?“ beantworten.
Die Risikoabschätzung besteht aus zwei Schritten:
Risikoanalyse
Für die einzelnen Gefährdungsereignisse wird die Wahrscheinlichkeit, mit der die Gefährdungsereignisse eintreten, und das Schadenausmaß der Gefährdung bestimmt. Wahrscheinlichkeit und Schadensausmaß werden in einer Risikomatrix kombiniert, um das Risiko als Maßzahl für den Vergleich von Gefährdungsereignissen zu bestimmen.
Die konkrete Ausgestaltung der Risikomatrix (Anzahl der Unterteilungen für Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß; Skalenwerte) muss zwischen Betreiber und Behörde abgestimmt werden.
Risikobewertung
Die Risiken werden verglichen, um diejenigen Gefährdungsereignisse zu identifzieren, die vorrangig bei Maßnahmen zur Risikobeherrschung betrachtet werden sollten.
Nach DIN EN 15975-2 sollten die Risikoanalyse und -bewertung sowohl mit als auch ohne Betrachtung der vorhandenen Maßnahmen durchgeführt werden (sog. Anfangsrisiko und Restrisiko), um bewerten zu können, wie wirksam die Maßnahmen sind und welche Auswirkungen ihr Versagen hätte.
Für die Gefährdungsereignisse, die nach der Risikobewertung prioritär zu betrachten sind, werden vorbeugende oder reaktive Maßnahmen zur Minderung der Risiken entwickelt und bewertet.
Die Risikobeherrschung im Einzugsgebiet ist gemäß TrinkwEGV Aufgabe der zuständigen Behörde, die dafür auf Basis der Risikoabschätzung und der Vorschläge des Betreibers Maßnahmen festlegt, was auch Verbote, Beschränkungen und Handlungspflichten nach §52 WHG umfassen kann.
Im Bereich der TrinkwV obliegt die Risikobeherrschung dem Betreiber.
Die DIN EN 15975-2 empfiehlt, das Risikomanagement in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe durchzuführen. Dies ist insbesondere für das Risikomanagement für Anlagen und Verteilungsnetze wichtig, da hier Kenntnisse und Erfahrungen aus verschiedensten technischen Bereichen gebündelt werden müssen.
Für die Bearbeitung des Einzugsgebiets fordert die TrinkwEGV
- Hochschulstudium bzw. einschlägige Berufserfahrung
- hinreichende Fachkenntnisse zu Hydrologie, Hydrochemie, Hydrogeologie und Risikomanagement
Zunächst sind die Wasserversorger gemäß TrinkwEGV verpflichtet, für jedes Wasserwerkeinzugsgebiet die Gefährdungsanalyse und Risikoabschätzung sowie Vorschläge für das Untersuchungsprogramm und für Maßnahmen zur Risikobeherrschung vorzulegen. Diese Dokumentation muss bis zum 15.11.2025 der zuständigen Behörde übergeben werden. Die Behörde überprüft bis zum 12.05.2027 das Untersuchungsprogramm und legt bis dahin die Risikomanagementmaßnahmen fest.
Bis zum 12.01.2033 soll das Risikomanagement (Gefährdungsanalyse, Risikoabschätzung, Maßnahmen zur Risikobeherrschung, Untersuchungsprogramm) für die Gewinnungs- und Aufbereitungsanlagen und Trinkwassernetze gemäß TrinkwV vorliegen.
Danach werden die beiden Risikomanagements im 6-Jahres-Turnus fortgeschrieben.
Risikoanalyse im Trinkwassereinzugsgebiet
In die Risikoanalyse für das Trinkwassereinzugsgebiet gehen die Gefährdungsereignisse und die Schutzfunktion des Einzugsgebiets ein. Durch Rückhalte- und Abbauprozesse entlang des Fließwegs kann das Risiko vermindert werden. Ziel ist die Bewertung des Risikos für das Rohwasser an der Entnahmestelle. Deshalb erfolgt die Analyse in mehreren Schritten:
Wahrscheinlichkeit, mit der ein Gefährdungsereignis eintritt. Diese wird üblicherweise auf einer Skala von 1 bis 5 (sehr selten bis sehr häufig eintretendes Ereignis) eingeordnet.
Ausmaß der Beeinträchtigung der Beschaffenheit des Wassers durch ein Gefährdungsereignis. Dies wird üblicherweise auf einer fünfstufigen Skala (sehr geringes bis sehr hohes Schadensausmaß) eingeordnet, die entweder linear (1, 2, 3, 4, 5) oder quadratisch (1, 4, 9, 16, 25) mit Werten belegt wird. Durch die quadratische Skala können sehr seltene Ereignisse mit sehr hohem Schadensausmaß (z.B. Havarien) gegenüber sehr häufigen Ereignissen mit sehr geringem Schadensausmaß (z.B. Versickerung aus Regenwasserrückhaltebecken) stärker gewichtet werden.
Für jedes Gefährdungsereignis erfolgt eine Bewertung von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß am Ort des Ereignisses (z. B. Altlastenfläche, Ort einer Havarie in Industrieanlage). Das aus der Multiplikation von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß berechnete Risiko wird als Ausgangsrisiko bezeichnet.
Die Schutzfunktion des Einzugsgebiets (Bodenzone, Grundwasserleiter entlang des Fließwegs) wird über die sog. „Vulnerabilität“ (= Verschmutzungsempfindlichkeit) berücksichtigt.
- Gegenstück zur (Grundwasser-)Geschütztheit
- hohe Geschütztheit (z. B. mächtige Grundwasserüberdeckung, lange Fließzeit) = geringe Vulnerabilität = Risiko wird deutlich gemindert
- geringe Geschütztheit (z.B. unbedeckter flacher GWL, kurze Fließzeit) = hohe Vulnerabilität = Risiko wird kaum gemindert
Üblicherweise werden für einzelne Teile des Fließwegs (z. B. ungesättigte Bodenzone und Grundwasserleiter) separate Vulnerabilitäten bestimmt und zu einer Gesamtvulnerabilität multipliziert. Für die Bewertung nach TrinkwEGV ist dies die sog. Rohwasservulnerabilität“, da die Beschaffenheit des Rohwassers an der Entnahmestelle Ziel der Betrachtung ist.
Vulnerabilitäten werden auf einer Skala von 0 bis 1 (bzw. 0 bis 100 %) angegeben.
Das Risiko für das Rohwasser an der Entnahmestelle ergibt sich aus der Multiplikation des Ausgangsrisikos (Ort des Gefährdungsereignisses) mit der Rohwasservulnerabilität.
Der Zahlenwert für das Risiko wird anschließend klassifiziert, wobei üblicherweise 5 Klassen (sehr geringes bis sehr hohes Risiko) zum Einsatz kommen.
Haben Sie Fragen zum Risikomanagement?
Ansprechpartner
- Florian Jenn, Ressortleitung Risikomanagement
- Silvia Dinse, Geschäftsführerin